Beziehungen führen als Behinderter

Sehr häufig wurde ich von Betroffenen oder auch interessierten Menschen gefragt, ob eine Beziehung führen als Behinderter überhaupt möglich ist. Wie soll so etwas denn überhaupt funktionieren, der Partner muss dich dann ja pflegen und das macht keiner mit.

Frauen haben sich erledigt

Als ich nach meinem Unfall, im Krankenhaus aufgewacht bin und mir dann die Diagnose Tetraplegie mitgeteilt wurde, ist für mich eine ganze Welt zusammengebrochen. Natürlich hatte ich mir über die Thematik Querschnittlähmung noch nie Gedanken gemacht, obwohl ich wusste, dass es sie gibt. in meinen früheren Leben, wurde ich leider zweimal Zeuge eines Unfalls mit Lähmungsfolge. Obwohl ich es gesehen habe, Hab ich mir nie darüber Gedanken gemacht. Warum sollte ich, schließlich war ich bis dahin gesund und der Meinung, dass mir sowas nie passieren kann.

Da lag ich nun selbst gelähmt im Bett und habe mich tausende Sachen gefragt. Neben einem Mengen negativ angehauchten waren es aber auch Sachen wie z.B. wie ist ein Leben im Rollstuhl möglich und wie könnte ich später wohnen. Eine Frage habe ich dabei recht schnell verdrängen wollen, da ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass eine Frau sich in einen Tetraplegiker verlieben kann. Warum sollte sie auch? Als behinderter Mensch bist du abhängig und kannst nicht mehr viel. Das wird nichts mit der Beziehung führen als Behinderter. Zumindest war es damals meine durch Vorurteilen gebildete Meinung. In den folgenden Monaten meiner ersten Reha, hat sich dieses Meinungsbild erheblich gewandelt.

Oh, das mit den Frauen ist doch nicht vorbei.

Ihr könnt euch nicht vorstellen, was ich für schöne Momente im Krankenhaus hatte, da ich als normal wahrgenommen wurde und mir, dass sehr viel bedeutete. Besonders die Gespräche mit den Damen haben mir sehr gut getan. Lasst es die biologische Anziehung des anderen Geschlechts gewesen sein, es tat einfach gut. Selbstverständlich hatte ich eine Menge Tage, an denen es mir nicht unbedingt ganz so gut ging. Trotzdem hatte ich stellenweise richtig Spaß und mich gerne mit anderen Menschen unterhalten. Unter anderem deswegen saß ich früher Ewigkeiten. Grundsätzlich war ich morgens mit der erste im Rollstuhl und der letzte, von den hilfsbedürftigen, welcher ins Bett gegangen ist. So ist das heute auch gerne noch, wenn ich mal stationär bin und aufstehen darf. Mein Rekord lag bei fast 20 Stunden sitzen. Morgens um sieben in den Rollstuhl und nachts um drei ins Bett. Da ich spontan noch ins Kino gefahren bin und danach mit den Schwestern noch etwas viel gequatscht habe. Welch ein grandioser Tag und so eine Wohltat für die Seele.

Im Laufe der Zeit konnte ich mir wirklich wieder vorstellen, dass es irgendwo da draußen eine passende Frau für mich geben wird und daran glaube ich noch heute. Wobei ich sie jetzt eventuell endlich gefunden habe, das wird sich noch zeigen. Eine die mich wirklich so liebt, wie ich nun einmal bin und die Behinderung nicht sieht. Obwohl ich damals am Anfang meines Weges stand und nur von der Zukunft reden konnte, hat meine Einstellung und der Optimismus mir bereits Türen zu verschiedenen Bereichen des Lebens geöffnet. Nicht jeder kann sagen, dass er quasi eine Dauerkarte fürs Ausfahrten hatte.

Am Tag meiner Entlassung habe ich dann Tatsächlich eine Krankenschwester bei mir im Bett gehabt. Ich möchte jetzt nicht, das es als angeben wahrgenommen wird. Es ist halt wirklich passiert und verdeutlicht die Kraft von Optimismus. Selbstverständlich war dieses jetzt keine richtige Liebe, dennoch ehrliche Anziehung. Es war uns beiden klar, dass das keine Zukunft hat. Trotz alledem, waren es dennoch ein paar schöne Abende und es hat mir auch gezeigt, dass es wirklich Frauen gibt, die mit einer Behinderung gar kein Problem haben. Das Ganze hat mir nebenbei Kraft und Zuversicht gegeben, meinen Weg zu gehen. Außerdem konnte ich so ein Haken in meiner To-do Liste machen, mit Fragen über meine Behinderung, welche ich geklärt haben wollte. Vielleicht lacht Ihr jetzt, aber, wenn man in so einer neuen Situation ist, dann hat man so einige Fragen, welche es zu beantworten gilt.

Tue etwas!

Mir war bewusst, dass wenn ich eine Frau nach meinem Geschmack haben und halten möchte, dass ich mein Arsch hochbekommen sollte. Das brauche ich um glücklich mit mir zu sein und nur, wenn ich glücklich bin, kann ich auch eine anständige Beziehung führen. Es ist nicht so, dass ich nicht eine Frau bekommen könnte, wenn ich‘s drauf anlegen würde. Dieses ist nämlich wann schmal zu einfach möglich, wie ich während der Jahre festgestellt habe. Nur ist dieser Typ Frau, auf gar keinen Fall mein Typ. Und was mein Traumtyp ist und ob ich meine Traumfrau bereits gefunden habe, das liest ihr hier. Klick

Was ich Euch damit verdeutlichen möchte ist, dass ein Rollstuhl wirklich nicht das Hindernis ist, wie ich selbst erlebt oder von anderen Rollifahrern mitbekommen habe. In erster Linie liegt es an Euch selbst, wie sich das Leben entwickelt. Wer auf Biegen und Brechen eine Beziehung sucht, wird sie entweder erst recht nicht oder keine glückliche finden. Um eine glückliche Beziehung führen zu können, müsst ihr euch selbst glücklich machen. Dafür müsst ihr z.B. wissen, was ihr für Träume habt und etwas dafür tun. Es können natürlich viele Sachen sein, Hauptsache es füllt euch aus und ihr seid im Reinen mit euch. Dann klappt auch ohne weiteres eine glückliche Beziehung als Behinderter. Als Tipp kann ich euch auf jeden Fall den Blog-Artikel „Glück ist eine Frage der Einstellug“ empfehlen. Klick

Natürlich das eine oder andere Video über Flirten bzw. Männer oder Frauen, je nach eigener Vorliebe. Wer etwas unsicher ist, Der sollte sich vielleicht auch mal ein paar Videos über Selbstbewusstsein anschauen. Außerdem ist es hilfreich den ganzen Blickwinkel etwas zu verschieben. Du bist vielleicht behindert, aber du bist definitiv mal eine wirklich neue Erfahrung und die muss nicht mit jedem geteilt werden.

So könnte eine Beziehung gelingen

Mittlerweile sind zwölf Jahre vergangen, in denen ich einige Erfahrungen mit Frauen gesammelt und auch selbst zwei fast zweijährige Beziehungen geführt habe. Hätte mir jemand auf der ersten Reha gesagt, was noch so mit den Frauen laufen kann, dann hätte ich es nicht geglaubt. Zu sehr haben mir die Vorurteile die Sicht fürs Wesentliche vernebelt. Schließlich gehört zu einer Beziehung weitaus mehr, als laufen zu können. Das Aussehen ist es im Endeffekt nicht, auch wenn dieses durchaus mal Türen öffnet. Es ist eine Sache von der Zwischenmenschlichkeit, Wertschätzung und Respekt die Leute zusammenhält. Selbst wenn man nicht überall zusammen hinkommt und vieles etwas komplizierter wird, da z.B. die Barrierefreiheit nicht überall gewährleistet ist Dennoch gibt es sehr viele Möglichkeiten, was man mit seinem Partner machen kann. Bei einer Beziehung geht es doch auch gerade um diese schönen Momente, die man mit einem geliebten Menschen teilen möchte. Das ist zumindest meine Meinung und das ist halt trotz einer Querschnittlähmung möglich.

Jeder der klar denken kann, kann sich ausmalen, dass eine Beziehung mit jemanden sehr eingeschränkten nicht so ohne sein kann. Selbstverständlich ist es nicht so, dass die Partner alles machen sollen oder müssen. Dafür ist ein Partner nun einmal nicht da, wie der Name Partner schon sagt. Trotzdem wird es leider durchaus Momente geben, wo die Partner gefordert werden, weil z.B. der Pflegedienst mal nicht kann, Unterstützung im Haushalt fehlt oder weil man einfach mal einen schlechten Tag durch die Lähmung hat. Aus Erfahrung heraus ist es für einen Partner leichter zu verkraften, etwas mehr in die Beziehung zu investieren, wenn sich die beiden Partner so kennengelernt haben. So haben sich halt beide bewusst dafür entschieden und keiner Partner ist da nicht zufällig reingerutscht.

Bei einer Ehe/Beziehung, wo ein Partner z.B. aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls im Rollstuhl gelandet ist, da geht so eine Beziehung etwas häufiger kaputt. Erfahrungsgemäß liegt es an den Bedürfnissen der Partner, die durch sowas nicht mehr gestillt werden oder der Betroffene Partner mit der neuen Situation selbst nicht klarkommt und dieses in die Beziehung trägt oder sie aus Liebe gar beendet. Sowas ist Dynamit für eine Beziehung, weshalb es dann nur eine Frage der Zeit ist, bis diese in die Brüche gehen kann. Jetzt möchte ich hier auf keinen Fall die Spaßbremse sein oder als Negativdenker rüberkommen, sondern ich möchte euch für diese Thematik sensibilisieren. Partnerschaften sind ein sensibles Unterfangen und es kann nun einmal passieren, dass sich Wege trennen.

Es heißt ja nicht, dass es aufgrund von einer Behinderung nicht möglich ist, seine alte Beziehung weiterzuführen und das sogar glücklich. Nicht nur als eingeschränkte Person, darf man in einer Beziehung nicht aus den Augen verlieren, dass dem Partner teilweise eine echte Stütze im Alltag fehlt und die Mehrarbeit sie fordert. Bei all den Problemen, die das Leben so mitbringen, darf man die Wertschätzung, den Respekt und auch die Zuneigung für einander nie vergessen. Von so etwas lebt eine Beziehung und wenn das nicht gegeben ist, dann kann sich das mit der Beziehung ändern. Was nichts mit der Behinderung zu tun hat , sondern der alltägliche Beziehungskram ist. Für mich ist es selbstverständlich, dass eine Partnerin ein eigenständiges Leben führen soll, da sie halt ein eigenständiges Individuum ist und nicht mein Eigentum.

Beziehung und Assistenz

In der heutigen Zeit ist das Ganze etwas einfacher, da ich meine 24 Stunden Assistenz habe. Somit ist das Problem mit der Pflege etc. zwar behoben, dennoch hat man eventuell ein neues Problem. Je nachdem wie das Zuhause alles organisiert ist und welche räumlichen Möglichkeiten man hat, kann die Assistenz in einer Beziehung auch stören. Wenn es ganz blöd läuft, versucht das Amt einen den Anspruch auf 24 Stunden Assistenz streitig zu machen, weshalb dann wieder eine komplett eigenständige Lebensplanung beide Partner erschwert wird. Mit solch einer Konstellation habe ich bisher noch keine richtigen Erfahrungen gemacht, weshalb ich da nicht objektiv was zu sagen kann. Nur sollte es soweit kommen, hoffe ich, dass das alles zueinander passt und ich auch keinen weiteren Ärger mit dem Amt bekomme. Verständlicherweise ist der Partner, der Partner und nicht der persönliche Pfleger, der auf Abruf bereitsteht. Er kann und soll nicht immer Zuhause sein. Schließlich gibt es in der Regel eigene Verpflichtungen und das ist gut so. Natürlich gibt es auch Paare, wo das für beide Parteien in Ordnung ist, wenn der eine Partner etwas Pflege übernimmt und damit beide glücklich sind.

Wie sollte ein möglicher Partner sein?

Welche Nähe ich am liebsten habe, ist die von Menschen aus im Gesundheitswesen. Diese sind Erfahrungsgemäß frei von Berührungsängste, was den Umgang teilweise echt vereinfacht. Wobei ich auch in anderen Bereichen nette Leute kennengelernt habe. Bezüglich Beziehungen mit Menschen aus der Pflege, gibt es im Übrigen gegenteilige Aussagen. Der/Die Eine oder Andere bemängelt, dass dann die Distanz nicht mehr gegeben ist. Es kann passieren, dass man zu hören bekommt, dass das eine oder andere so nicht richtig ist und halt anders gemacht werden sollte. Dieser Gedanke schreckt natürlich einige Menschen ab und ich kann es ansatzweise nachvollziehen. So etwas habe ich mir bisher persönlich noch nicht anhören müssen, trotzdem von anderen mitbekommen. Trotzdem sehe ich persönlich da kein wirkliches Problem. In solchen Fällen hilft auf jeden Fall darüber reden, wenn es jemanden stört. Bei meiner Krankenakte kann ich mir gut vorstellen, dass meine zukünftige Partnerin aus dem Gesundheitswesen kommt, auch wenn es bisher relativ ausgeglichen ist.

Zwei wichtige Eigenschaften sollte ein potentieller Partner auf jeden Fall mitbringen. Das sind Abenteuerlust und Experimentierfreudigkeit. Nicht nur das alltägliche Leben ist von vorhandenen Einschränkungen betroffen und oftmals ein kleines Abenteuer, sondern auch das Sexuelle ist mal was ganz neues. Selbstverständlich ist es möglich trotz einer Einschränkung ein befriedigendes Sexualleben zu haben. Es ist halt alles etwas anders und man muss experimentieren, um etwas zu finden, was einem selbst oder dem Partner gefällt. Wichtig ist auf jeden Fall, dass man offen über alles redet und einfach mal was ausprobiert. Es heißt ja nicht umsonst „Probieren geht über Studieren“.

Das Leben hat mir gezeigt, dass alles möglich ist, wenn man sich liebt! Weshalb ich aus vollster Überzeugung sagen kann, dass eine Beziehung führen als Behinderter klappen kann.

Wie sind denn eure Erfahrungen bezüglich Behinderung und Beziehung?

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